Gesundheit durch Tanz

Interview der TVS (Tanz Vereinigung Schweiz) mit Corinna Janson, Heilpraktikerin und Tanzpädagogin Quelle: TanzVereinigung Schweiz TVS, 03/2021

Corrina Janson, Begründerin der Tanzhologie® und Leiterin des Tanzhologie Studios in Bad Kreuznach, hat als 4-Jährige mit Ballettunterricht begonnen und später eine Ausbildung als Naturheilpraktikerin absolviert. Heute gibt sie Tanzunterricht mit einem therapeutischen Bewusstsein. Im Interview mit TVS beschreibt sie ihren Lebensweg von der leidenschaftlichen Tänzerin in die therapeutische Tätigkeit und wieder zurück.

Sie sind Heilpraktikerin und Tanzpädagogin. Was war zuerst? Das Tanzen oder die therapeutische Tätigkeit?

Das ist bei mir fast wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Ich habe schon als 4-jährige mit Ballettunterricht begonnen und kann mir ein Leben ohne Tanz nicht vorstellen. Mit 19 Jahren fiel allerdings meine Entscheidung, Tanz als Hobby zu pflegen und mich beruflich anderen spannenden Themen zuzuwenden. Begeistert von der ganzheitlichen Menschenbetrachtung in der Klassischen Homöopathie absolvierte ich 1995 eine 3jährige Vollzeit Ausbildung zur Heilpraktikerin und arbeitete dann zunächst 14 Jahre lang als Homöopathin in einer Gemeinschaftspraxis zusammen mit meinem Mann, der sich auf die Traditionelle Chinesische Medizin spezialisiert hat. Nebenberuflich habe ich aber schon seit meinem 18 Lebensjahr mit Bewegung gearbeitet: als Übungsleiterin habe ich Aerobic unterrichtet, Gymnastikkurse für Gruppen der Rheuma Liga gegeben, Aqua Fitness Kurse geleitet, und meine Ballettlehrerin durfte ich auch schon in jungen Jahren und bei vielen Gelegenheiten im Unterricht vertreten, bevor ich mich tanztherapeutisch, tanzmedizinisch und tanzpädagogisch fortgebildet habe.

Heute verbinden Sie ihre therapeutische Arbeit mit dem Tanzen und leiten das Tanzhologie Studio in Bad Kreuznach. Wie sind sie dazu gekommen?

Ich gebe Tanzunterricht mit einem therapeutischen Bewusstsein und mein Angebot im Tanzhologie Studio ist als gesunde Freizeitbeschäftigung gedacht. Nachdem ich selber als junge Heilpraktikerin kein alltagskompatibles Freizeitangebot mit Tanz finden konnte, das Gesundheit, Kunst und Kreativität verbindet, begann ich 2003 mit der Entwicklung eines eigenen Konzeptes. Durch  meine tanztherapeutische Ausbildung bei Dr. Detlef Kappert in Essen konnte ich mein Konzept mit tanzpsychologischen Inhalten komplementieren. Für mich war Dr. Kappert damals so etwas wie  der „Hahnemann des Tanzes“ und er inspirierte mich zur Begriffsfindung „Tanzhologie". Tanzhologie unterrichtete ich zunächst neben der Praxistätigkeit, allerdings beanspruchte mein Tanz-Forschungsinteresse immer mehr Raum, so dass ich mir Unterstützung in der Praxis suchte, um genügend Zeit zu haben, diesem auch nachzugehen.

2011 starb dann plötzlich und unerwartet meine Ballettlehrerin, zu der ich ein enges Verhältnis hatte und deren künstlerische Aktivitäten mich über 30 Jahre lang geprägt haben. Ich war damals kurz vor dem Abschluss des Zertifikates in Tanzmedizin (bei ta.med) und fühlte mich als Therapeutin auch verantwortlich, die Gruppen dieser Tanzschule irgendwie „aufzufangen“. So nahm ich die Herausforderung an, das Studio zu übernehmen, zunächst in der Absicht, für den tanzpädagogischen Part eine Lehrkraft einzustellen, und meinen eigenen Schwerpunkt auf die Organisation des Studios und die Tanzhologie-Kurse zu legen. Dass es sich doch anders entwickelt hat, und ich mittlerweile seit 10 Jahren Ballett unter einem ganzheitlichen Aspekt vermitteln darf, dafür bin ich meinen Studiomitgliedern und meinem Schicksal sehr dankbar.

Sie legen ihre Arbeit die Vorstellung einer untrennbaren Verbindung von Körper, Geist und Emotionen des Menschen zugrunde. Wie begründen Sie diese Annahme?

Von dieser Verbindung gehen sämtliche große naturheilkundliche Heilverfahren unisono aus -seien es westliche oder fernöstliche Methoden- und es entspricht dem, was ich erlebe, bzw. in meiner Praxis erlebt habe. So ist es in den ausführlichen homöopathischen Anamnesen oft zu beobachten, dass sich ein bestimmtes Thema bei einem Menschen auf den unterschiedlichen Ebenen widerspiegelt. Als Homöopathin verstehe ich Krankheitssymptome als „Sprache der Lebenskraft“ die sich im Körper und im Gemüt ausdrücken. Es gilt in erster Linie diese Sprache zu verstehen und darauf mit adäquaten Mitteln zu reagieren, damit Heilungsprozesse in Gang kommen können.

Wie unterscheiden sich Tanztherapie und Tanzhologie®?

Tanzhologie® ist als allgemein gesundheitsfördernder Tanzunterricht konzipiert, der die positiven Effekte verschiedenster Tanzstile in Kombination mit Entspannungstechniken zum Wohle des Menschen nutzt. Anders als Tanztherapie ist Tanzhologie® keine Methode um pathologische Muster zu therapieren, sondern dient der Gesundheitsprophylaxe und der Persönlichkeitsentwicklung. Es ist eine abwechslungsreiche und freudvolle Freizeitbeschäftigung in der Gruppe, die Tanztechnik vermittelt und individuellen Bewegungs- und Ausdrucksbedürfnissen Raum gibt, ohne dass persönliche Probleme in den Stunden tiefergehend thematisiert werden.

Sie beschäftigen sich eingehend mit der Wechselwirkung von Körperwahrnehmung und Selbstwertgefühl und haben unter anderem den Einfluss von Tanztraining auf das Körperbild von Patientinnen mit Essstörungen erforscht. Zu welchem Schluss sind sie dabei gekommen?

Die Erfahrungen aus dem Tanzprojekt mit den Anorexie- und Bulimiepatientinnen bestärken mich in der Ansicht, dass Tanzunterricht einen wertvollen Beitrag in der heutigen Gesellschaft leisten kann, um der Entfremdung vom eigenen Körper entgegen zu wirken. Dabei haben sowohl freie Tanzübungen in Form von Improvisation, als auch Elemente aus dem Klassischen Ballett, einen sehr förderlichen Einfluss.

Ich fand es erstaunlich, dass bei einigen Probandinnen schon mit einer geringen Zahl an Tanz-Interventionen sehr nachhaltige Ergebnisse erzielt werden konnten! Das spricht absolut dafür, das Potential von Tanz noch viel umfassender zu erforschen und gezielter zu nutzen.

Es gibt einige Fachpersonen, die eine therapeutische Ausbildung fordern, um den positiven Nutzen des Tanzens auf die psychische Gesundheit auszuschöpfen. Wie stehen Sie dazu?

Grundsätzlich bin ich der Ansicht: Wenn man therapeutisch tätig sein möchte, sollte man auch eine therapeutische Ausbildung absolvieren. Im Tanz liegt ein unglaublich grosses Potential, um auf einfache und freudvolle Art und Weise Genesungsprozesse in Gang zu setzen oder sie zu unterstützen. Wer mit dem Medium Tanz körperlich oder psychisch leidende Menschen verantwortungsbewusst begleiten möchte, braucht neben einer umfassenden eigenen Tanzausbildung auch eine entsprechende Schulung und Erfahrung im Umgang mit Patienten.

Gleichzeitig finde ich, dass wir gar nicht genug darauf hinweisen können, welchen grossen Einfluss jeder Tanzlehrende auf Gesundheit und Persönlichkeitsbildung seiner SchülerInnen und StudentInnen hat. Auch für Tanzpädagogen (und insbesondere wenn sie mit Kindern arbeiten!) ist es wichtig, ein Bewusstsein für den (durchaus vorhandenen!) therapeutischen Wirkungsgrad im Tanzunterricht zu entwickeln.

Inwiefern lassen sich die Erkenntnisse und Erfahrungen der Tanzhologie® in die Tanz-Unterrichtstätigkeit mit Laien integrieren?

Meine Erkenntnisse und Erfahrungen aus Tanzhologie fließen in sämtliche Bereiche meiner Tanzschule ein. Im Ballettunterricht baue ich regelmäßig in allen Altersstufen Elemente aus Tanzhologie ein. Das sind insbesondere Improvisationsübungen, aber auch Zentrierungsübungen, Wahrnehmungsschulungen und Entspannungstechniken. Ich halte es für wichtig, sich eine gute Bewegungstechnik anzueignen, ohne dabei die Fähigkeit der freien Bewegungsgestaltung zu verlieren.

Um zur körperlichen Gesundheit beizutragen achte ich auf eine ausgewogene Beanspruchung des Körpers bei meinen Choreografien; und Aufführungen konzipiere ich so, dass die Mitwirkenden sich mit dem, was sie darstellen identifizieren können, indem ich sie mittels Tanzhologie-Elementen aktiv an den kreativen Gestaltungsprozessen beteilige.

Zum Abschluss: Viele Tanzschulen leiden unter Männermangel. Sie haben ihre Abschlussarbeit im Rahmen MAS Dance Science der Uni Bern dem Thema «Männliche Haltung zum Freizeittanz – eine Tanzmuffelstudie» gewidmet.

Haben Sie einen Tipp für Frauen, welche ihre Männer zum Tanzen motivieren wollen?

Leider NEIN! Diese Studie habe ich zwar gewissermassen entworfen, weil ich nach einem Trick gesucht habe, um Tanzmuffel in Tänzer zu verwandeln - aber letzten Endes ist durch diese Untersuchung vor allem mein Verständnis für Tanzmuffel gewachsen. Für die Tanzkunst werden Männer in unserer Gesellschaft schlecht vorbereitet. In den entscheidenden Jahren, in denen sich musische und tänzerische Grundfertigkeiten gut einprägen, werden Jungen im deutschsprachigen Raum vom Tanzen eher abgehalten, als gefördert. Und später sollen sie dann - ohne die Grundfertigkeiten verinnerlicht zu haben- beim Paartanz „die volle Verantwortung für das Gelingen übernehmen“ - so hat es ein bekennender Tanzmuffel ausgedrückt. Kein Wunder, dass sie dazu keine Lust haben, auch wenn sie grundsätzlich sehr gern den Körperkontakt beim Tanzen mögen und auch das Tanzen mit einer Partnerin lieben. Einfach mal so abtanzen, ohne festgelegte Schritte und Verantwortung: das mögen die meisten Männer jedenfalls fast genauso gerne, wie Frauen. Wir können uns da nur als Gesellschaft bemühen in Zukunft in der Erziehung auch frühzeitig die Körperbildung durch Tanz für Jungen zu fördern. Hier bleibt noch viel zu tun und zu forschen.

Vielen Dank für das Interview Frau Janson. Wir freuen uns, Sie im Herbst in Zürich für den Tanzhologie-Workshop begrüssen zu dürfen.

Weitere Infos und Anmeldung: Tanzhologie - Eine Unterrichtsmethode zur Gesundheitsförderung durch Tanz

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